Dann setzen wir mal fort, was ich letzte Woche begonnen habe! Vor etwas mehr als einer Woche habe ich über die totale Entgrenzung des Lernens gesprochen und gesagt, dass Lernen immer stattfindet und nie endet! Eine Aussage die man mit dem Begriff „Lebenslanges Lernen“ gut zu fassen bekommt. (Wer das Ganze nochmal nachlesen möchte, der ist hier richtig.)
Eine Machtrangfolge durch kulturelles Kapital wäre nach der Definition von Bourdieu zudem heutzutage nicht mehr zulässig. Vor allem die gerade wieder neu diskutierte #OERs (Open Educational Ressource), stützen doch eigentlich die Annahme, dass objektiviertes kulturelles Kapital unwichtig wird.
E-Portfolios haben zwar Potenzial das institutionalisierte kulturelle Kapital etwas zu „entmachten“, doch sind Abschlüsse und anerkannte Zertifikate immer noch ein guter Orientierungspunkt.
Richtig schwierig wird es dann beim inkorporierten kulturellen Kapital. Zwar hat jeder die Möglichkeit seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern, doch wer keine Zeit hat (ökonomischer Faktor, muss zusehen wie er über die Runden kommt.), oder gar durch soziale Umstände nicht über die Fähigkeit verfügt, sein inkorporiertes kulturelles Kapital zu erweitern.
Vor allem hier liegt der beliebte „Kasus Knaxus“ bzw. der „punktum saliens“ bzw. der „springende Punkt“.
Das kulturelle Kapital ist vor allem in der heutigen Welt von dem inkorporierten kulturellen Kapital abhängig. Doch dies ist nicht allein zu betrachten, sondern mus im Zusammenhang mit dem sozialen und dem ökonomischen Kapital gesehen werden.
Wenn also die bildungspolitische Forderung nach lebenslangem Lernen ausgesprochen wird und damit der Fokus auf selbstgesteuertem Lernen gelegt wird (was wiederum lerntheoretisch mit dem Konstruktivismus begründet wird), dann sollte man wissen, dass die Voraussetzungen für die Forderung nicht mit einer bestimmten Pädagogik gelöst werden kann, sondern multifaktoriell bedingt ist.
Um nun wirklich den Bourdieu alt aussehen zu lassen, müsste man ,verhältnismäßig, versuchen, dass inkorporierte kulturelle Kapital für alle auf ein in etwa gleiches gutes Niveau heben. Die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen ist zum Beispiel ein ganz wesentlicher Punkt. Doch das ist heute noch nicht die Realität, dass jeder überhaupt in der Lage ist, selbstgesteuert zu lernen, um die Chancen zu nutzen, die sich ihm böten.
Ob sich jemand weiterbildet ist zudem nach Hendrich dreifach bestimmt:
- Die Chancenstrukturen als Handlungsmöglichkeiten müssen gut sein.
- Die Bildungsbiographie sollte positiv sein. Positive Erfahrungen mit Bildung
- Der Einzelne führt eine Kosten-Nutzen-Analyse durch. Bringt es mir überhaupt etwas, wenn ich mich weiterbilde. (Soll ja Personen geben, die kein Interesse an Neuem haben;-))
Wenn zum Beispiel jemand eine negative Haltung gegenüber Lernen hat, dann können wir noch so lange über die neuen Chancen reden, helfen wird es solchen Personen nicht!
Solange sind der Ausbau von OERs zwar eine Freude für (fast) jeden Akademiker, aber zugleich auch eine bildungspolitische Gefahr. Denn die „Humankapital-Schere“ wird dadurch noch weiter geöffnet!
Persönlich freue ich mich über den Ausbau der OERs (und ich merke mir fehlen mindestens 24 Stunden am Tag;-)… oder anders ausgedrückt: fehlendes ökonomisches Kapital), doch wer mir bei E-Learning oder dem Thema Lebenslanges Lernen mit verbesserten Chancen für alle daherkommt, dem werde ich auch noch in Zukunft einen Bourdieu um die Ohren hauen.