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Vor ein paar Tagen bin ich auf ein sehr spannendes Video von Jürgen Handke gestoßen. Herr Handke stellt vier Thesen auf, die an sich nicht sehr neu sind, jedoch sehr gut erklärt werden und in der Kürze der Zeit auch gut zusammengefasst werden.
- These #1: Digitalisierung ist zum Normalfall geworden.
- These #2: Digitalisierung verbessert die Hochschullehre.
- These #3: “Learning is NOT just video”
- These #4: “Didactics MUST drive Technology … and not vice versa.”
Da ich an der FHöV auch versuche, digitale Medien zu fördern sind die 4 Botschaften, die er danach aufstellt, fast schon die wichtigeren Eckpunkte, die in einem Leitbild für E-Learning nicht fehlen dürfen:
- Treiber der Digitalisierung sind die Hochschulleitungen.
- Entwickeln Sie eine Wertschätzung für die Lehre.
- Verteilen Sie die Kosten auf viele Schultern!
- Sorgen Sie für mehr Lehr-/Lerneffizienz durch neue Präsenzformate (Bsp.: Flipped Classroom Model).
Nur durch geeignete Rahmenbedingungen (mehr Anerkennung für Lehre) und gute Voraussetzungen (Netzinfrastruktur, geeignetes WLAN-Netzwerk) kann eine Digitalisierung an der Hochschule gelingen. Bereits auf der Campus Innovation in Hamburg wurde in der Podiumsdiskussion über die notwendige Aufwertung der Lehre gesprochen, wenn man denn die Digitalisierung vorantreiben will. Ein guter Ansatz wäre hier die Einführung eines „Lehre-Frei-Semesters“. Ähnlich wie bei einem Forschungsfreisemester, in dem ein/e ProfessorIn von den Aufgaben in der Lehre und Verwaltung zugunsten der Forschung freigestellt werden kann, wäre ein Lehrefreisemester möglich. Hier würde man auch von allen Verwaltungsaufgaben und den meisten Lehrtätigkeiten „entbunden“, um sich beispielsweise der Konzeption eines geeigneten Blended-Learning-Szenarios zu widmen. Man könnte ein Lehrefreisemester sogar mit einer Weiterbildungsmaßnahme verknüpfen, in der der Lehrende sich zum Thema Digitalisierung in der Lehre fortbildet und zudem das Beratungsangebot einer zentralen E-Learning-Stelle in Anspruch nehmen.
Der These 4 (“Didactics MUST drive Technology … and not vice versa.”) und Botschaft 1 („Treiber der Digitalisierung sind die Hochschulleitungen.“) würde ich in Anlehnung an Donald Clark ja widersprechen: „… the primary driver for pedagogic change is something that has changed the behaviours of learners, independently of teachers, teaching and education – the internet. … we’ve had more pedagogic change in the last 10 years than in the last 1000 years – all driven by innovation in technology.“ Und dann zählt er auf:
1. Asynchronous – the new default
2. Links – free from tyranny of linear learning
3. Search and rescue
4. Wikipedia and death of the expert
5. Facebook and friends
6. Twitter, texting and posting
7. Youtube – less is more and ‘knowing how’
8. Games
9. Tools
10. Open source
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Hochschulleitungen und Lehrende sind daher meist getriebene und seltener aktive Gestalter.
An wen ist eigentlich die Aussage gerichtet, die Kosten auf viele Schultern zu verteilen? Geht das nicht an der Hochschulwirklichkeit vorbei?
Mit den übrigen Thesen kann ich mich hingegen anfreunden.
Hallo Frank,
auch widersprechen im Sinne, wie es sein sollte? Klar das Lehre und die Diskussion „technikgetrieben“ ist, doch SOLLTE es eigentlich anders laufen, oder?
Und bei der Botschaft muss ich leider feststellen, dass es immer noch viele Lehrende und auch Studierende gibt, die nicht durch das Internet „verändert“ wurden. Ohne Anreize machen sich die Lehrenden nicht die Mühe ihre Lehre zu verändern.
Hallo Thomas,
dass es anders laufen SOLLTE, glaube und hoffe ich gerade nicht! Hätte der Finanzanalyst Salman Khan auf ein Signal von Pädagogen warten sollen, die ihn aus didaktischen Gründen bitten, ein Lehrfilmportal zu entwickeln? Die Idee des Inverted Classroom wäre ohne die technischen Innovationen und Menschen wie Khan doch gar nicht erst aufgekommen. Den Pädagogen, denen im Wesentlichen seit 1000 Jahren wenig neues in Sachen Vorlesungsbetrieb eingefallen ist, nun das Szepter wieder in die Hand zu geben wäre m.E. eher kontraproduktiv (als Pädagoge maße ich mir einmal an, dies aussprechen zu dürfen). Ich kenne zum Glück ein paar Ausnahmen, welche die neuen Möglichkeiten aufgreifen und in Lehrzusammenhängen erfolgreich und kreativ einsetzen. Aber erstens sind diese in der klaren Minderheit und zweitens sind sie zwar early adopters, aber nicht die Erfinder/Entwickler der genutzten Tools oder Methoden. Das sind eher die intrinsisch motivierten Tüftler und Bastler, welche nur selten zufällig auch Pädagogen sind. Wenngleich Khan in der deutschen Wikipedia nun auch schon als solcher betitelt wird.
Und nochmal zur Botschaft: Bei den allermeisten Lehrenden, die Ihre Lehre insbesondere mit Hilfe neuer Medien und dem Internet erfolgreich und vorbildlich verändern, kann ich so etwas wie eine intrinsische Motivation ausmachen. Niemand braucht einen Spannagel, Handtke oder Loviscach mit externen Anreizen locken, um nur einmal Deutschlands Flipped-Classroom-Protagonisten zu bemühen. Diese ziehen ihre Motivation mit Sicherheit aus dem Erfolg Ihrer Lehre bei ihren Studierenden und dem positiven Feedback – und fühlen sich zum Teil ja sogar isoliert und nicht gewürdigt von den eigenen Fachkollegen oder ihrer Hochschulleitung, ohne dass sie ihr Engagement deswegen bremsen würden. Und ich wette, auch einem Thomas Franz wird das nicht anders gehen 😉
Sehr schöner Kommentar 🙂
Und du hast definitiv Recht, dass die Motivation bei den „E-Learnern“ intrinsischer Natur ist. Und das ist an sich auch gut so. Doch was soll man mit dem „Rest“ machen? Was ist mit der kritischen Masse? Sollte man vielleicht erst gar nicht versuchen, die zum Lehren und Lernen mit neuen Medien zu motivieren?
So gehe ich zumindest auch bisher beim Thema LMS um… ich bewerbe ILIAS nicht „missionarisch“, sondern vertraue vielmehr darauf, dass die Vorzüge erkennbar sind und dann schon von ganz alleine genügend Lehrende das System nutzen werden. Und ich denke, dass Lehrende vielleicht auch noch unsicher sind und es mal gerne ausprobieren möchten, jedoch vielleicht auch vom Zeitaufwand her abgeschreckt werden und dann feststellen, es würde eh nicht belohnt werden… dem könnte man doch helfen und entgegenwirken^^
Ich glaube, dass man als E-Learning-Verantwortlicher die Lösungen kennen sollte, am besten aus eigener Erfahrung und Nutzung. Egal ob Soft- oder Hardware. Wenn dann jemand eine Lösung für ein Problem sucht (z.B. Aktivierung von Teilnehmern im großen Vorlesungen), dann muss ich ihm eine Lösung anbieten können, z.B. ARSnova o.ä.. Wenn ich aber ohne ein solches Bedürfnis hergehe und sage „Sie sollten Clicker verwenden, um Ihre Teilnehmer zu aktivieren!“, wird das sowieso nichts.
Ich selbst verwende eine vielleicht perfide, aber sehr wirkungsvolle Methode, um für neue Technologien zu werben: Ich setze sie kompetent und mit Mehrwert für mich und mein Gegenüber einfach wie das Selbstverständlichste der Welt ein, ohne diese aber selbst zu thematisieren. Eine Präsentation mit Prezi statt Powerpoint zieht fast immer im Nachgang die Frage nach sich: „Womit haben Sie das gemacht und bieten Sie dazu auch Schulungen an?“. Oder wenn ich mit meinem Livescribe oder besser noch BoogieBoard anstelle eines Notizblocks auftauche. Oder mit der CAMscan-App schnell mal eben etwas abfotografiere – es wird nachgefragt. Es entsteht Neugier und ein „Das will ich auch!“. Und in diesem Augenblick wird den meisten auch die Zeit für Anschaffung, Einrichtung und Einarbeitung egal.
Ok, ok. So idealtypisch läuft es auch nicht immer. Ein großer Teil unserer Kundschaft lässt sich die Kurse für ein Weiterbildungszertifikat anrechnen. Aber auch dort würde ich sagen, dass sich diese extrinsische Motivation häufig mit einer intrinsischen mischt. Und ganz oft gelingt es auch in einer Schulung, diese Teilnehmer/innen durch eigene Überzeugung zu begeistern.
Was ILIAS betrifft, bin ich guter Hoffnung, dass es mit der Version 5 im Responsive-Design dann auch endlich seinen Old-School-Charakter verliert und an Attraktivität gewinnt.
Ach ja: Einen „Rest“ wird es immer geben. Und da sage ich mir dann, dass es deren eigenes Problem ist, wenn sie sich solche Techniken entgehen lassen. Die werde ich nicht ändern und ich will es auch gar nicht.
Sorry, habe die HTML-Auszeichnung wohl verbockt, eigentlich war dies ein Quellhinweis auf Donald Clark. Mal schauen, ob es jetzt besser gelingt:
)
Ach ja, und weil es gerade so gut zu unserer Diskussion passt – gerade frisch entdeckt:
http://www.onlinebynature.com/2015/01/die-vergebenen-chancen-der-didaktik-im-zeitalter-des-internets/
Das passt natürlich wie die Faust aufs Auge. Zwei Doofe ähnliche Gedanken^^