- Wissen wird konstruiert.
- Wissen erhält durch Methoden einen empirischen Nachvollzug und eine Wahrheitsanspruch.
- Das konstruierte Wissen wird erst in der Praxis viabel.
- Jeder Lernprozess findet in einem sozialen Kontext statt
Bereits in meinem „Auftakt-Artikel“ habe ich ja angedeutet, dass das letzte Zitat
“Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.”
schon der Vorbote für meinen nächsten Artikel sein würde. Zwar glaube ich, dass es sehr schön sein kann, wenn man einer Person helfen kann, es selbst zu entdecken. Trotzdem glaube ich, dass Hilfe allein nicht ausreicht!!!
Der Konstruktivismus stellt das Bewusstsein als ein „informell“ (Reinmann, 2010, S. 100) geschlossenes System dar, das nach eigenen Regeln neue Impulse verarbeitet. Folglich entzieht sich der Lernprozess nach dem Konstruktivismus einer direkten Steuerung (Schiersmann, 2007, S. 80). Trotzdem ist eine Einflussnahme auf den Lernprozess als didaktischer Designer möglich, indem man passende RLO’s verwendet.
Wichtig dabei ist, dass es sich hier nicht um einen radikalen Konstruktivismus handelt, der alle Wirklichkeit als bloße Erfindung einschätzt. Vielmehr geht es im Zusammenhang mit gelungener Weiterbildungslehre und dem Begriff des didaktischen Designs um eine spezielle konstruktivistische Didaktik, die vor allem von Kersten Reich dargstelt wurde (vgl. Reich, 2008).
Die konstruktivistische Didaktik
Im Konstruktivismus von Reich wird der Lerner als aktiv, kreativ, eingreifend, tätig-herstellend und erzeugend beschrieben. Der Mensch sei als Konstrukteur anzusehen, der in Verständigung mit anderen sein Wissen re/de/konstruiert (Reich, 2008, S. 118f.). Diese Konstruktion sei ein wesentlicher Faktor für die Erzeugung von neuem Wissen (Reich, 2008, S. 126). Der Lernprozess bestehe zudem aus didaktischer Sicht noch aus der Methodologie und der Praxis, als Ort der Realisierung und Überprüfung, zusammen.
Die Wahl der Methode ist dabei zuerst einmal die Aufgabe des Lehrenden. Trotz Subjektorientierung soll mit Hilfe einer geeigneten Methode eine logische Richtigkeit, ein Wahrheitsanspruch oder ein empirischer Nachvollzug des konstruierten Wissens des Lernenden überprüft werden. Nur so kann dann eine Viabilität[1] geschaffen werden. Ohne die Methoden wäre ein viables Lernkonzept nicht zu begründen.
Der Lehrer entscheidet zunächst aus einem großen Methodenpool, welche Methode in der jeweiligen Lernsituation sinnvoll ist. Aus den gewählten Methoden muss der didaktische Designer dann die passenden RLO’s zum Einsatz bringen.[2] Eine eigene Methodenwahl des Lerners sollte zudem immer wünschenswert sein. Im Sinne des Lehrers als Moderator sollte die vom Lerner gewählte Methode jedoch überprüft werden. Bei Bedenken der Methode entscheidet schließlich die Viabilität über den Erfolg.
Diese erfolgreiche Wissenskonstruktion entsteht letztlich durch die Überprüfung in der Praxis. Doch ist sie stets in einem kulturellen Kontext zu sehen. Deswegen ist jede Wissenskonstruktion des Lerners immer im Zusammenhang mit der ihm umgebenden Umwelt, bzw. mit der von ihm umgebenen Personen, zu analysieren.
Folglich ist nach Reich, neben der Konstruktion, der Methode und der Praxis, die menschlichen Beziehung beim Lehren und Lernen sehr wichtig. Reich spricht in diesem Zusammenhang von einer Beziehungsdidaktik (Reich, 2008, S. 15ff.).
Er verweist auf seinen ersten Schultag und die Schulzeit im Allgemeinen. Die Schule als Lernumgebung bestehe nicht nur aus den Lehrern und dem Unterrichtsstoff. Vielmehr gehören auch Raum, Zeit, Umstände und Ereignisse zu dieser Lernumgebung. Auch Mitmenschen, die in derselben Zeit, im selben Raum dieselben Ereignisse erleben, gehören zu dieser Lernumgebung „Schule“.
Ein Lernprozess findet zwar auf der einen Seite in einem geschlossenen System statt (jeder konstruiert sein Wissen auf der Basis seiner Erfahrungen), jedoch steht jeder Lernprozess auch in einem sozialen Kontext. Die Rolle des Lerners als aktiven, eingreifenden und konstruierenden Menschen setzt Selbsttätigkeit, Steigerung der Selbstverantwortung und des Selbstvertrauens und Selbstbestimmungsanteile voraus. Das macht Lerner auch zu ihren eigenen Didaktikern (Reich, 2008, S. 29). Folglich gilt das von Reich aufgestellte didaktische Menschenbild für Lehrer und Lerner gleichermaßen. Das didaktische Menschenbild umfasst unter anderem eine Freude am menschlichen Kontakt, die Fähigkeit zur Anerkennung und Wertschätzung anderer, Geduld und Durchhaltevermögen, Bereitschaft zur Förderung und Unterstützung anderer und die Bereitschaft zur eigenen Weiterentwicklung (Reich, 2008, S. 21).
Je technischer und mechanischer demnach ein Kurs in Moodle ist, desto weniger sozial ist er folglich und demnach zu stringent. Je weniger Wahlmöglichkeiten dem Lerner gegeben werden, desto weniger kann die Selbstinitiative des Lernenden gefördert werden (vgl. Höbarth, 2007, S. 28). Will man jedoch soziale Lernprozesse, wie vom Konstruktivismus gefordert, so braucht man RLO’s, die eine Kommunikation mit anderen Lernern ermöglicht. Anders als bei einem reinen Computerprogramm (einem WBT oder einem CBT) kann so ein soziales Beziehungsgefüge konstruiert werden indem der Lerner interaktiv agiert, reflektierend vorgehen kann und zudem das Gefühl hat, selbsttätig zu sein.
[1] „Viabel ist eine Handlung dann, wenn sie erfolgreich ist, wenn sich Lösungen in der Erfahrungswelt bewähren und entsprechend beibehalten werden“ (Reinmann, 2010, S. 100). Nach Reich kann auch das Scheitern einer Wissenskonstruktion oder eines Modells viabel sein, sofern es als Anregung zu einem anderen Lernen und einer anderen Lösung aktiviert (Reich, 2008, S. S.126).
[2] Didaktischer Designer und Lehrer sind bei dieser Erläuterung ein und dieselbe Person. Aufgrund der unterschiedlichen Handlungen, die von einer Person durchgeführt werden, ist hier entweder von dem Lehrer im Allgemeinen die Rede, oder von einem didaktischen Designer, der E-Learning-Inhalte erstellt.