Die Selbststeuerung und die Fremdsteuerung sind meiner nach selten klar von einander zu trennen. Zudem möchte ich an dieser Stelle auch mal eine Lanze für die Fremdsteuerung brechen. In vielen neuen innovativen Schriften stellt es sich oft so da, dass selbstgesteuertes Lernen das Lernen schlechthin darstellt und fremdgesteuertes Lernen schon fast verteufelt wird. Dabei werden fremdgesteuerte Lernprozesse immer ihre Berechtigung haben. Auch wenn Web 2.0 – Hype – Propheten das selten berücksichtigen.
Als ich mich selbstgesteuert dazu entschieden habe, am Open Course 2011 teilzunehmen, war für mich auch klar, dass ich selbst für meine selbstgesteuerten Lernprozesse eine gewisse Fremdsteuerung brauche. Auf die erste Fremdsteuerung ist dann schon jeder Teilnehmer des OpCo gestoßen, als er sich die Themenschwerpunkte für die einzelnen Wochen durchgelesen hat. Die Veranstalter haben mich somit in meinem selbstgesteuerten Wille fremdgesteuert.
Aus dieser Perspektive wird es dann immer schwieriger reine Selbsteuerungsprozesse oder reine Fremdsteuerungsprozesse ausfindig zu machen.
In meinem Seminar wurde dazu ein schönes Bild von einem Pferd skizziert.
Die Ausgangsthese war: Man kann zwar ein Pferd zur Tränke führen, aber saufen muss das Pferd selbst.
Folglich wäre dies eine Art der fremdgesteuerten Selbststeuerung.
Wenn nun das Pferd jemanden fragt, wo es denn etwas zu Trinken gibt, begibt er sich ja selbstgesteuert in fremde Hände. Dies wäre also eine selbstgesteuerte Fremdsteuerung.
Wenn ich also beschließe am Open Course 2011 teilzunehmen, dann begebe ich mich erst einmal in eine selbstgesteuerte Fremdsteuerung. Innerhalb dieses Rahmens setzen dann wieder neue Selbststeuerungsprozesse und auch Fremdsteuerungsprozesse ein.
Eine wirklich starke Trennung beider Prozesse halte ich nur ganz selten für möglich.
Soviel erstmal dazu. Im Kontext von Lernprozessen werde ich bald nochmal etwas ausführlicher darauf eingehen. Bis dahin gibt es ja den einen oder anderen Leser, der hierzu gerne Ergänzungen oder Anregungen geben möchte:-)
In wieweit fühlt ihr euch selbstgesteuert bzw. fremdgesteuert? Kann man vielleicht doch trennschärfer mit beiden Begriffen umgehen?
In meiner Diplomarbeit habe ich zu diesem Thema folgendes Zitat von P.R.J. Simons verwendet, da ich es sehr treffend finde:
„Die Fähigkeit, selbstständig zu lernen, wird hier definiert als das Ausmaß, in dem eine Person
fähig ist, ihr eigenes Lernen – ohne Hilfe anderer Instanzen – zu steuern und zu kontrollieren.
Bei dieser Fähigkeit handelt es sich jedoch nicht um eine „Alles- oder Nichts“-Erscheinung,
sondern eher um ein Kontinuum, das sich zwischen zwei Extremen erstreckt: Zwischen dem völligen
Unvermögen, das eigene Lernen zu steuern und zu kontrollieren und der Fähigkeit, dies ganz ohne externe Hilfe zu tun. In ihrer Reinform aber kommen beide Extreme fast nicht vor. Jeder ist
beim Lernen in der einen oder anderen Weise auf die Hilfe einer anderen Instanz angewiesen.
Beispiele hierfür sind der häufig notwendige Rückgriff auf Lehrtexte oder auch auf Lernsoftware.
Und jeder braucht zumindest eine gewisse Fähigkeit, das Lernen zu steuern und zu kontrollieren,
z. B. um zuzuhören oder Anweisungen auszuführen. Weil das so ist, hat es wenig Sinn, zwischen
Lernen und selbstständigem Lernen strikt zu unterscheiden. Jedes Lernen ist in gewissem Ausmaß
zugleich selbstständig und unselbstständig. Beim Lernen agiert der Lernende immer mit einer
zweiten Instanz, handle es sich bei dieser um einen Lehrer, ein Buch, einen Computer oder
um eine verinnerlichte Repräsentation einer anderen Person. Im Fall des mehr fremdgesteuerten
Lernens liegt der Schwerpunkt der Einflussnahme auf den Lehr-Lernprozess eher bei der externen
Instanz, im Fall des selbstständigen Lernens eher bei den Lernenden selbst“.
Simons, P.R.J.: Lernen, selbständig zu lernen – ein Rahmenmodell. In: H. Mandl, H.F. Friedrich (Hrsg.): Lern- und Denkstrategien. Göttingen 1992, S. 251 – 264.
Gruß
Frank Waldschmidt-Dietz
Inspirierender Post.Habe ein paar schöne Denkanstoesse bekommen. Freue mich schon auf neue Posts.