Leute, es ist unfassbar. Dieses MOOC mutiert zu einem überdimensionalen Ding, das ohne klar definiertes Ziel durch die Welt läuft und für Chaos und Verwirrung sorgt. Es bricht mit jeglichen Bildungstraditionen und erzeugt Staunen, Angst, Hoffnung, Überforderung, Begeisterung und so vieles mehr.
Als ich vor etwas mehr als einem halben Jahr bei meinem Prof aufschlug und ihm vorschlug eine Diplomarbeit zum Thema MOOCs und Konnektivismus zu verfassen, wurde mit einem kleinen Schmunzeln und vielen Fragezeichen reagiert. Damals dachte ich mir dann, dass ich wohl etwas weniger speziell und weniger sonderbar bleiben sollte…
Wenn ich heute, vielleicht etwas besser vorbereitet, wieder im Büro meines Profs aufschlagen würde und den selben Vorschlag machen würde, so würde wohl ICH schmunzeln und Fragezeichen werfen…
„Wie, Sie lesen etwa nicht die Zeit?“
„Noch nie einen Blick in die FAZ geworfen?“
Für mich, als begeisterter E-Learner, ist es trotzdem erstaunlich, wie breit dieses Thema mittlerweile geworden ist. Als Anfang des Jahres der Offene Onlinekurs zum Thema MOOCs stattgefunden hat, habe ich mich selbst und auch alle anderen Teilnehmer als kleine visionäre Sonderlinge gesehen, die wie so oft versuchen, die Bildungslandschaft zu revolutionieren oder zumindest einfach etwas besser zu machen. Ich dachte, wir wären ein kleiner Kreis, der in einer Art Community of Practice über Möglichkeiten in der Lehre diskutiert und es noch ziemlich lange dauern wird, bis die „breite Masse“ etwas davon mitbekommt.
FAZ und Die Zeit berichten über MOOCs
Und dann bahnte es sich die Woche über an. Bei einem alltäglichen Plausch zur Mittagszeit in der Mensa erzählte mir ein Dozent, dass er erst heute von diesen „Onlinekursen“ in der FAZ gelesen habe (Der Artikel ist auch online hier verfügbar.). Da gäbe es wohl deutsche Unis die mittlerweile bei Coursera mitmachen würden.
Meine Augen leuchteten auf, denn das nun auch deutsche Unis den amerikanischen Riesen nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen, war vor allem auf der strukturellen Ebene höchst interessant. Denn dieser Fakt belegte für mich erneut die These von Gunter Dueck, dass fast alles auf ein „Ein-System-Modell“ hinausläuft. So wie Amazon den Versandhandel beherrscht, so beherrscht Facebook den Bereich soziale Netzwerke (vgl. dazu das Buch „Aufbrechen“ von Gunter Dueck). Und wer weiß, vielleicht beherrscht irgendwann ein System wie Coursera den Online-Lehr-Markt. Da wir uns aber an dieser Stelle noch ganz am Anfang befinden, wäre eine nicht wirklich fundierte Prognose, wie ein Schuss ins Blaue.
Das aber der Startschuss gefallen ist, sollte spätestens seit heute klar sein. Denn das Thema offene Onlinekurse hat es heute auf die Titelseite der Zeitung Die Zeit geschafft.
Für mich als E-Learner, Pädagoge und Mitarbeiter einer Hochschule stellt sich nun vielmehr die Frage, wie kann man diese Potenziale tatsächlich für die allgemeine Hochschullandschaft nutzen. Denn bisher sind alle Bemühungen doch nur einzelne Versuche, die allenfalls eine Marketingstrategie darstellen, um, wie die Münchener Unis bei Coursera, weltweit bekannter zu werden. Von einer Integration von solchen Kursen in die Hochschulsysteme, zum Beispiel in Form von der Vergabe von Credits, sind wir noch weit entfernt.
Dabei sehe ich ganz persönlich ein riesiges Potenzial in diesem Thema. Denn meiner Meinung nach ist eine Investition in gut konzipierte Onlinekurse viel sinnvoller als der Ausbau eines Audimax, damit dort 1500 Studierende einen Platz bekommen (Wer es nicht glauben will, kann es hier nachlesen). Ich glaube, jeder der dies hier liest, wird mir dahingehend zustimmen, dass die Teilnahme an einem Onlinekurs mehr bringt, als der Besuch einer Veranstaltung mit 1499 weiteren Studenten.
Weltweiter MOOC-Wettbewerb
Wo wir dann auch schon mal bei Finanzierung und breite Masse und so sind, so möchte ich euch noch ein weiteres Schmankerl vorstellen. Der Stifterverband sucht nämlich zusammen mit iversity die 10 besten Online Lehrveranstaltungen und wedelt dafür mit 250.000 € Preisgeld. Auf der Seite des Stifterverbandes heißt es dazu:
„Ziel des Wettbewerbs ist es, die Entwicklung innovativer Konzepte für MOOCs anzustoßen. Dabei geht es nicht darum, abgefilmte Vorlesungen ins Netz zu stellen, sondern um eigenständige Lehrangebote, die akademische Standards mit der Lebenswirklichkeit junger Menschen verbinden.„
Die eigens dafür ins Leben gerufene Website lautet: https://moocfellowship.org/
Den ein oder anderen juckt es doch schon in den Fingern, oder 😉 ?
Was bleibt ist also die Tatsache, dass man um das Thema MOOCs nicht mehr drumherum kommt. Es ist derzeit in aller Munde. Damit aber nicht nur die Erfindung am Ende übrig bleibt, gilt es nun die Infrastrukturen zu schaffen. Die Ausschreibung von iversity und dem Stifterverband sind ein richtiges Zeichen. Denn was bringt einem eine Erfindung bzw. eine Innovation, wenn die Struktur dafür nicht vorhanden ist. Es gilt also, dieses nach allen Ecken und Enden ausufernde Begriffmonster MOOC einzuzäunen und ihm Stück für Stück eine Struktur zu geben.
Dies hat dann auch Gunter Dueck wieder sehr treffend und plakativ formuliert:
Was sind Autos ohne Straßen?
Was sind Schiffe ohne Häfen?
Was sind Grühbirnen ohne Strom?
(Gunter Dueck „Aufbrechen“, S.175)
…und was sind MOOCs ohne Unis und ihre Studenten, die diese auch wirklich nutzen?