Da wir nun bereits den Aktualitätsanspruch und eine kleine Basisarbeit (Begriffsklärung und pädagogische Grundlagen) hinter uns haben, soll es nun aus der Lernerperspektive darum gehen, wie man sich als Lerner verhalten muss, um online Lernen zu können. Im letzten Blogartikel hatte ich ja bereits kurz angerissen, wie das Online-Lernen beschaffen ist:
„Wer also für sich online lernt, der lernt vor allem individuell, aber auch forschend (Lernende sammeln und klassifizieren Informationen), kollaborativ (Lernen in einer Lerngemeinschaft) und produktorientiert (Präsentation und Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen) sein.“
Dies bedarf jedoch einer hohen Medienkompetenz. Oft wird gesagt, dass eine Auseinandersetzung mit Online-Learning eben die Medienkompetenz fördert. Das mag durchaus richtig sein. Doch würde man es sich viel zu einfach machen, wenn man nur diesen Weg im Blick hat. Niemand lernt kompetent mit dem Computer umzugehen, einfach indem man ihn davor setzt.
Zudem ist das Online-Lernen, wie es oben beschrieben wurde, hochgradig von den Selbststeuerungskompetenzen (bzw. Selbstlernkompetenzen) abhängig. Auch dies muss zuvor vom Lerner erlernt werden und kann nicht vorausgesetzt werden.
Es darf hier nicht der Fehler gemacht werden, dass eine Technik, die zum Beispiel die Lerntheorie des Konstruktivismus durchaus fördern kann, automatisch den Lernprozess in diesem Sinne unterstützt und fördert. In diesem Zusammenhang kann ich nur den Text „Gestaltet ist nicht geleitet – Lernentwicklungen in professionell strukturierten Lernarchitekturen“ von Angela Springer und Hermann J. Forneck empfehlen. Dort werden die Begriffe „Selbststeuerung“, „Lebenslanges Lernen“ und auch „Neue Lernkultur“ kritisch und mit viel Skepsis betrachtet. So wird zum Beispiel die „Neue Lernkultur“ als Desiderat (Wunschobjekt) bezeichnet. Zudem wird ein klarer Widerspruch in dem Memorandum der EU zum Thema Lebenslanges Lernen aufgedeckt, der meines Erachtens den logischen Schluss „Neue Lernkultur und neue Gesellschaft impliziert neues Lernen“ als groben Fehler aufdeckt. Und weil es so schön ist, möchte ich die zwei Absätze von Seite 99 und 100 gerne zitieren:
„In diesem Memorandum findet sich in Botschaft 3 „Innovation in den Lehr- und Lernmethoden“ eine eindeutige Zielbestimmung. Es soll um die Effektivität von Lehr- und Lernmethoden einerseits und von Lernkontexten andererseits gehen. Konstatiert wird dabei zunächst eine neue Form der Gesellschaft, die „Wissensgesellschaft“ und in dieser verändere sich bekanntermaßen das Lernen, es werde zum aktiven Lernen. Das Bildungssystem sein aus diesem Grund veraltet und müsse modernisiert werden. Deshalb fordert das Memorandum von den Bildungsinstitutionen, dass sie sich an heutige Menschen anpassen müssen („nutzerorientierte Lernsysteme“). Diese Argumentation des Memorandums kann man nur empirisch lesen, nämlich als Feststellung, dass sich das Lernverhalten der Menschen in der Realität der aktuellen Gesellschaft bereits grundlegend in aktives Lernen gewandelt hat. Menschen lernen danach heute bereits aktiv. Das Problem wird damit als Modernisierungsdefizit der Bildungsanbieter diagnostiziert.
[…](Später) weist das Memorandum auf die wesentliche Aufgabe der professionellen Weiterbildungsarbeit hin. Es gelte herauszufinden, wie der Fähigkeitserwerb produktiv, selbstgesteuert gestaltet werden kann: „Wie erwirbt man die Fähigkeit zu produktivem, selbstgesteuertem Lernen?“. Diese Fragestellung lässt aber nur den Schluss zu, dass die Menschen gerade das noch nicht beherrschen, was zu Beginn des Memorandums vorausgesetzt war, nämlich das aktive Lernen als reale soziale Tatsache.
[…] Die gesamte Herleitung wird damit hinfällig. Tatsächlich scheint es beim lebenslangen Lernen um einen gigantischen Umerziehungsprozess der Bevölkerung zu gehen.“
Nun würde ich persönlich nicht behaupten, dass ich mich durch bildungspolitische Forderungen gerade umerziehen lasse. Doch macht das Zitat deutlich, dass es bei weitem nicht so selbstverständlich ist, selbstgesteuert zu lernen, wie es gerne postuliert wird.
Selbstgesteuert zu lernen ist aber eine echt enorme Leistung, die man erlernen kann, sollte und auch muss, will man erfolgreich online lernen. Dies geht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern muss über vielleicht mehrere Jahre hinweg gelernt und der Lernprozess verbessert bzw. optimiert werden.
Hierzu bedarf es, im schulischen Kontext, eventuell einer umfangreichen Lerneinheit (vielleicht sogar einen eigenen Kurs?), um diese „Art“ zu lernen eben zu lernen.
Im Kontext der Erwachsenenbildung würde ich hier gern beschriebene „Facilitator“ (sogenannte Lernbegleiter) einsetzen, die die Lerner fördern. Hier könnte durchaus auch eine Art „Peer-Konzept“ helfen. Vor allem im informellen Lernkontext. Etwas bessere „Selbstlerner“ könnten hier „Neueinsteiger“ unterstützen. Auch in Anbetracht, dass morgen der #opco12 (der offene Olinekurs 2012) startet, sollte man sich dieses Konzept vor Augen halten. Vielleicht können dann die erfahrenen „Online-Hasen“ die Neulinge motivieren und unterstützen und so vielleicht sogar noch selbst etwas dazu lernen (Ganz im Sinne des LdL-Konzepts;-) ).
Mein Fazit:
Online Lernen ist hochgradig selbstgesteuertes Lernen. Doch lernt man selbstgesteuertes Lernen nicht Voraussetzungslos beim Online-Lernen. Auch die Teilnahme an einem offenen Onlinekurs erfordert bereits viele Kompetenzen, damit eine erfolgreiche Teilnahme gelingen kann.
„Niemand lernt kompetent mit dem Computer umzugehen, einfach indem man ihn davor setzt“ – hier spricht jemand ganz überzeugend dagegen:
TED-Vortrag von Sugata Mitra: „The child-driven education“ (http://www.ted.com/talks/lang/en/sugata_mitra_the_child_driven_education.html)
Klasse, Klasse, Klasse!!! Vielen Dank für dieses Video. Ich stand nachher auch vor meinem PC und habe applaudiert:-)
Ich werde wohl den einen oder anderen Gedanken noch mal neu denken müssen.
Und der Satz „Niemand lernt kompetent mit dem Computer umzugehen, einfach indem man ihn davor setzt“ ist wohl zu streichen. Zumindest das „Niemand“ macht diesen Satz zu einer falschen Aussage und wurde von Sugata Mitra eindeutig falsifiziert:-)