Als man am 19. Juni 1999 in der Bologna-Erklärung eine einheitliche Struktur für das Hochschulsystem in 29 Ländern beschloss, konnte man beim besten Willen noch nicht absehen, wohin die Reise gehen würde. Fast 14 Jahre später sind die daraus resultierenden Abschlüsse Bachelor und Master mehr und mehr Alltag geworden, auch wenn die Klagen über diese Studierform bei weitem noch nicht vorbei sind. Die GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) versucht zudem die Diskussion differenziert zu betrachten. Nicht Bologna sei gescheitert, sondern Bonn. Und mit Bonn sind dann die Gremien gemeint, die alle ihren Sitz in Bonn haben und maßgeblich für die Umsetzung des Bologna-Prozesses verantwortlich sind. Nämlich die Kultusministerkonferenz (KMK), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Hochschulenrektorenkonferenz (HRK) (Mehr dazu hier). Denn der Grundgedanke, die Ziele und der Anspruch sind durchaus der richtige Weg, nur die derzeitige Umsetzung lässt noch zu wünschen übrig.
In einer immer globaler werdenden Welt ist es wichtig, vergleichbare Abschlüsse und Kompetenzen zu generieren. Bologna versucht also eine gewisse vergleichbarkeit über Qualitätsstandards herzustellen.
Auf der anderen Seite stehen die neuen Medien mit all ihren Möglichkeiten. Diese sind jedoch vor allem durch die Struktur des Internets in der Regel offen gehalten. Zudem rollt gerade die sogenannte MOOC-Welle über uns her. Immer mehr Universitäten bieten Onlinekurse an, die mehr und mehr für jedermann zugänglich sind. Die freien offenen Onlinekurse werden von den Universitäten in den bestehenden Bachelor- und Masteralltag integriert.
Wie kann Bologna und Onlinelernen zusammenpassen?
Das Interessante bei dem Gedanken für eine einheitliche Struktur (Bologna), ist die daraus resultierende Offenheit. Denn auf den ersten Blick sind Vereinheitlichung und klare Strukturen kein Merkmal für Freiheit und Offenheit. Vielmehr scheinen die beiden Parteien zwei sich gegenüberstehende Konkurenten zu sein. Entweder man wählt Fisch oder Fleisch. Mit der Problematik von Offenheit in Bachelor und Masterstudiengängen hatte sich auch schon bereits vor einigen Jahren Gabi Reinmann in einem Artikel beschäftigt. (1) In dem Artikel hat Sie zusammen mit Thomas Sporer und Frank Vohle erläutert, wie man den Charakter der Heterogenität des Lernens im Internet mit dem homogenen Charakter eines Bachelor-Studiums vereinbaren kann. Ihr Vorschlag ist die Erstellung neuer Schnittstellen. Nach Reinmann et. al. ist es nötig das Fachstudium mit den Tätigkeiten im Internet zu koppeln. Ein möglicher Schnittstellenraum ist hier das Credit-Point-System, das als Belohnungssystem und Motivationssystem dienen kann.
Wenn man sich also für einen offenen Onlinekurs einer anderen Universität entscheidet, so sollte gewährleistet werden, dass man für erbrachte Leistungen mit Credit-Points belohnt wird.
Wohin die Reise nun gehen kann, zeigt sich vielleicht schon an dem ersten sächsischen offenen Onlinekurs (hier mehr). Unter dem Titel „Lernen 2.0“ kooperieren hier drei Universitäten miteinander. Die Studierenden von allen drei Universitäten können an dem Onlinekurs teilnehmen und Credit Points erwerben.
Wünschenswert wäre es nun, wenn noch mehr Universitäten miteinander kooperieren würden. Denn die Standardisierung des Studiums durch Bologna sollte eine solche Kooperation eigentlich erleichtern.
Die Gewinner wären nicht nur die Studierenden, die von einem erweiterten Lehrangebot profitieren würden, sondern auch die einzelnen Universitäten, die mehr Zeit und Geld in Ihre Schwerpunkte finanzieren könnten.
(1) Reinmann, Gabi & Sporer, Thomas & Vohle, Frank (2007): Bologna und Web 2.0: Wie zusammenbringen, was nicht zusammenpasst?